19 Uhr Lesung - 20 Uhr Aufführung!
Zu "Warum liegt mein Herz so schwer bei euch" ist ein Buch erschienen.
Es bündelt die Recherche, die dem Stück zu Grunde liegt und enthält
Interviews, Texte und dokumentarisches Material zur Wohnraumkrise in
Marseille und Berlin sowie den Zusammenhängen von würdigem Wohnen und
Gesundheit. Zu den vorerst letzten Aufführungen der Inszenierung wollen
wir einige der spannenden Beiträge vorlesen und den Raum für Fragen zu
Recherche und Prozess öffnen.
Denn wenn Jade, Huguette und die Nachbarin in dieser Konstellation nicht
wirklich existieren, ist es doch umso wichtiger zu verstehen, welche
Umstände, Kämpfe und Menschen ihre Geschichte inspiriert haben.
Zum Stück selbst:
Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, in einer
Wohnung, die auseinanderzufallen droht. Hier ist Huguette zu Besuch bei
Jade und die meiste Zeit streiten sie sich. Über Risse in der Wand,
Risse in der Familie, in der Fassade, im Leben. Über Jades Job im Bistro
und Huguettes Arbeitgeber, der nicht gerade zufällig der Vermieter der
maroden Wohnung ist. Über alles eigentlich. Nur die alte Nachbarin
wäscht ihnen gelegentlich den Kopf, bei ca. 90 Grad. Als in Huguettes
Aktentasche ein dicker, brauner Umschlag auftaucht, verändert sich alles
– Der Umschlag kommt von einer Firma für Baugutachten und das kann
nichts Gutes bedeuten. Auch für die Nachbarin ist es an der Zeit, es
sich einzugestehen. Denn auch wenn sie es sich nicht anmerken lässt, so
ist das mit ihrem Herzen schon etwas Ernsteres. Es hinkt und holpert und
der Stress, den sie aus ihrem Kopf verbannt, den sie dort hintut wo
nicht einmal sie selbst sich hintraut, landet bei ihm. Einsam und
wirksam. Voller Fragen, im Angesicht der Misere des Lebens schlagen
diese Einsichten ein, wie selten etwas einschlägt.
Und wie man es so schön sagt, ein Unglück kommt selten allein,
entscheidet man in dieser Welt doch nicht selbst, wann es an der Zeit
ist Dinge aufgeben zu müssen. Oh Monster, dem sie gegenüberstanden.
Am 5. November 2018 stürzten im Herzen Marseilles die Wohnhäuser Nummer
63 und 65 der Rue d’Aubagne ein. Acht Menschen starben unter den
Trümmern. Der Bürgermeister sagte, es hätte am Regen gelegen, von dem
es in diesem November ungewöhnlich viel gegeben hatte. Tatsächlich waren
die beiden Häuser Jahrzehnte lang dem Verfall überlassen worden, wie
unzählige andere Gebäude der Altstadt. In den 2 Wochen, die auf die Katastrophe folgten, wurden 1.500 Menschen schlagartig aus ihren Wohnungen im Zentrum
evakuiert und notdürftig in Hotels am Stadtrand oder Turnhallen
untergebracht. Nach zwei Jahren waren es 6.000. Viele harrten mehrere
Monate oder ganze Jahre in den provisorischen Unterkünften aus. Und die
Rückkehr in die eigenen Wohnungen und Kieze war und ist nicht
selbstverständlich, denn die längst überfälligen Renovierungsmaßnahmen
drohen, ärmere Bewohner.innen, die bisher das bröckelnde Stadtzentrum
zusammengehalten haben, dauerhaft zu verdrängen. Ein Kammerspektakel mit Livemusik, das von Verdrängung, Gentrifizierung und dem Zusammenhang von würdigem Wohnraum und Gesundheit handelt. Es entstand aus einer dokumentarischen Recherche in Marseille und Berlin, die in Buchform zum Stück erschienen ist.
Es spielen:
Rebbecca Maria Motzel, Franziska Braun & Lucas GuigonisMusik:
Noam Ahrens, Hanna Westermeyer, Julie Guigonis, Luca Maier & Nino TsimakuridzeWeitere Beteiligte:
Miriam Klahn, Erma Becirovic, Maya Perusín Mysorekar, Clara Sandau & Helene DopplerHier geht's zur Homepage des Kollektivs:
https://copines.noblogs.org/