Um im Umfeld einer bürgerlichen Marktwirtschaft legal wirtschaften zu können, ist eine Rechtsform für jede Organisation unerlässlich. Wir haben deshalb bereits 2014 einen Verein gegründet, dessen Gemeinnützigkeit vom Freistaat Sachsen fortlaufend anerkannt wird. Er spielt für uns vor allem eine außenpolitische Rolle. Innenpolitisch waren wir dagegen eher von basisdemokratischen Überlegungen aus einem anarchistisch-libertären bis anarcho-syndikalistischen Umfeld geprägt. Wir wollten kollektiv arbeiten, geschwisterlich, auf Augenhöhe, hierarchiefrei, gleichberechtigt und konsensorientiert, mit Vetorecht für Minderheitenpositionen. Und vor allem: ohne Chefs, Intendanten oder Direktoren. Da die Vereinsform leider eine hierarchische Trennung von Vorstand und Mitglied vorsieht, haben wir uns anfänglich bemüht, jedes Mitglied mit in den Vorstand aufzunehmen. Das hat sich aber mit der Zeit als wenig praktisch erwiesen, vor allem weil mit der Eröffnung 2018 ganz neue Aufgaben und Herausforderungen auf unser Kollektiv zukamen. Wir mussten viel offener und anschlussfähiger werden, um unser Ideal einer lebendigen Nachbarschaftsbühne auf breiter Basis zu gestalten.
Parallel entstand aus den regelmäßigen Vereinssitzungen heraus das Plenum, zu dem zunehmend auch Nicht-Vereinsmitglieder ständig gehörten. Dieses Verhältnis veränderte sich mit der Eröffnung des Theaters und der Neuaufnahme weiterer Plenumsmitglieder noch einmal deutlich. Außerdem wurde der Entscheidungsdruck für das mittlerweile wöchentlich für drei Stunden stattfindende Plenum so groß, dass immer mehr Arbeitsgruppen (AGs) entstanden, um die verschiedenen Arbeitsbereiche unseres jungen Kulturbetriebes zu managen. Diese Ausdifferenzierung entsprang jedoch nicht nur der Not, wir setzten damit auch konsequent unsere Strukturidee eines Nachbarschaftstheaters nach dem Volksbühne-Modell in die Tat.
In den regelmäßigen AG-Treffen arbeiten heute Plenumsmitglieder und Ehrenamtliche aus der Nachbarschaft peer to peer in kollektiven und selbstbestimmten Prozessen an den unterschiedlichen Aufgaben der betrieblichen Einzelbereiche. So gibt es beispielsweise die AG Spielplan, die AG Technik, die AG Kino, die AG Konzerte, die AG Kinder & Jugend und noch viele mehr. Die meisten AGs sind offen und freuen sich immer über neue Menschen und Impulse.
Um die Qualität und (Selbst)Wirksamkeit der AG-Arbeit zu fördern, achtet und schützt das Plenum derweil die Autonomie der verschiedenen Arbeitsgruppen und räumt ihnen im Rahmen der allgemeinen Haushaltsführung des Betriebes Budgetrechte ein. Im Übrigen führt das Plenum ansonsten alle Geschäfte des Ost-Passage Theaters.
Innerhalb dieser festen Strukturen sind außerdem viele Spielräume entstanden, in denen sich weiteres Engagement versammelt, entlang von Projekten, Kooperationen oder spezifischen Interessen, mit kurzem oder langem Zeitkern. Im OPT-Klub versuchen wir alle diese Kräfte zu bündeln, auch wenn sie weit darüber hinaus reichen.
Die Mitglieder des Plenums, der AGs und des Klubs leisten schließlich ehrenamtlich auch alle Abenddienste, die für die Betreuung und Durchführung von Veranstaltungen im Ost-Passage Theater notwendig sind: Technikdienst, Kassendienst, Bardienst, Abendspielleitung und sonstige Dienste.
Durch unser hierarchiearmes Organisationsmodell ist es uns gelungen, rund um unsere Theaterbühne viele vitale Lernfelder und Experimentierräume zu öffnen. Platz, um sich auszuprobieren und neuen Herausforderungen zu stellen. Bei uns zählt die Stimme der Newbies ebenso wie die der alten Hasen, sodass sich das Wissen insgesamt weniger top down als vielmehr peer to peer vermittelt. So ist das Ost-Passage Theater heute ein solidarischer Ort, der auf Basis einer Kultur der gegenseitigen Hilfe zum Einsteigen und zum Weiterbilden nach den Prinzipien “Do it yourself” und “Learning by doing” einlädt.