Unser Theater befindet sich in Neustadt-Neuschönefeld, dem kleinen ehemaligen Eisenbahnerviertel, das gleich östlich hinter dem Leipziger Hauptbahnhof beginnt, und von den Stadtteilen Schönefeld, Volkmarsdorf und Reudnitz umgeben ist. Die Wohnviertel sind eng bebaut. Während des Leipziger Booms 2009-2019 sind viele junge Menschen und Familien hierher gezogen. Seitdem zählen die Wohngebiete rund um die zentrale Eisenbahnstraße nicht nur zu den diversesten, sondern auch zu den migrationsreichsten in ganz Sachsen. Es gibt allein sieben Verkehrssprachen und das zahlreiche Kleingewerbe ist ein Magnet für das internationale Publikum. Dennoch sind die Einkommen vieler Nachbar:innen gering, und mit der Armut der Menschen verbinden sich viele soziale Probleme.

Eine der wenigen öffentlichen Verweilflächen in den eng besiedelten Wohngebieten von Neustadt-Neuschönefeld ist der Stadtteilpark “Rabet”, der in den 1970er Jahren durch den Abriss von baufälligen Wohnhäusern entstanden ist. Er liegt zentral im Viertel und grenzt direkt an die Eisenbahnstraße. Und genau hier, am Rande vom Rabet, in der Konradstraße 27, befindet sich unsere Bühne. Das markante Gründerzeitgebäude unterscheidet sich deutlich von der sonst recht einseitigen Wohnbebauung und springt durch seine eingeschossige, tonnenartige Bauweise sofort ins Auge. Es wurde 1911/12 auf dem Kellergewölbe der Markt- und Kaufhalle OST errichtet und bereits im Dezember 1912 als Lichtspieltheater unter dem Namen “Ost-Passage-Theater” eröffnet. Damit zählt es neben dem UT Connewitz zu den ältesten Kinos von Leipzig. Auffällig sind die Prunkfassade, die 2008/09 restauriert werden konnte, und die “Schillerdecke” aus bogenförmigen Betonbindern, die dem Gebäude von außen seine Tonnengestalt und von innen die Aura eines säulenfreien Kuppelsaales geben.

Innenansicht Symbolbild
Anfänglich noch mit fast 700 Plätzen auf Parkett und Rang ausgestattet, führten Brandschutzmängel und mehrfache Betreiberwechsel 1962 zur Schließung des damals “Lichtschauspielhaus” bzw. von den Nachbar:innen liebevoll “Lichtscher” genannten Kinos. Nach einer Zeit des Leerstandes zog dann 1968 die Gemeinde der Mormonen ein und es wurde bis 1987 zu einer Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Danach brachen die schwersten Jahre für das Gebäude an, das nur durch den Denkmalschutz vor dem Abriss bewahrt werden konnte. Nach über 20 Jahren Leerstand gelang die Rettung schließlich durch den Einzug einer Filiale von ALDI Nord, die 2009 am Standort eröffnete. Doch die Rettung hatte ihren Preis, denn der Supermarkt wurde einmal quer, an der Tonnenseite wie eine Kassette ebenerdig auf Parketthöhe durch das Gebäude geschoben, sodass der ehemals hohe Saal durch eine leichte Decke in ein Ober- und ein Untergeschoss getrennt wurde. Und genau dieses Obergeschoss, das über den Aufgang zum Rang noch zu erreichen war, entdeckten wir 2011 durch einen Tipp des Quartiersmanagement Leipziger Osten. Als wir damals zum ersten Mal in dem mehr als 300qm großen Raum direkt unter der Kuppel mit ihren stuckverzierten Betonbögen standen, wussten wir sofort. Das ist es! Es war Liebe auf den ersten Blick.

Die Jahre danach waren harte Beziehungsarbeit nach innen und nach außen. Und es dauerte schließlich fast sieben Jahre, bis wir am 09.03.2018 unsere Nachbarschaftsbühne endlich feierlich eröffnen konnten. Während der Umbauarbeiten 2017/18, in die weit mehr als 5.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit flossen, und an denen sich viele Hände und Köpfe beteiligten, zogen wir eine neue Bühnenrückwand mit Vorhang ein, trennten ein Techniklager und eine Künstler:innen-Garderobe vom Saal ab, sowie Toiletten. Dadurch entstand ein Theaterraum von ca. 200qm, mit einer flexiblen Tribüne für das Publikum. Standardmäßig haben wir ihn so eingerichtet, dass eine ebenerdige Bühnenfläche in der Form eines langgezogenen Prospekts auf einer Breite von 10 Metern und einer Tiefe von 5 Metern entsteht, vor der auf vier Podeststufen 96 Gäste Platz finden.

Leider ist der Bühnenraum nur über Treppen zu erreichen und damit nicht rollstuhlgerecht. Wir haben deshalb schon sehr früh begonnen darüber nachzudenken, den Standort weiter zu entwickeln. Denn neben Ober- und Untergeschoss existierte ja auch noch das Kellergeschoss der ehemaligen Markthalle, direkt unter der ALDI-Filiale, und war in einem erstaunlich guten Zustand. Seit 2022 restaurieren wir diese Gebäudeteile deshalb in Eigenregie ehrenamtlich und entwickeln hier Probenräume und einen weiteren Veranstaltungsort. Keller- und Obergeschoss sollen schließlich durch einen Außenfahrstuhl so verbunden werden, dass ein barrierearmer Besuch unseres Theaters endlich möglich wird.

Und hier noch unsere Führung durch das Ost-Passage Theater zum Tag des offenen Denkmals 2020! Viel Spaß!
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